Wildes Treiben und OrgienFotograf erzählt vom Sexleben der Tiere unter Wasser
Von frivolen Walkühen, einem verwitweten Dugong und wildem Unterwasserreigen erzählt der italienische Fotograf Recchi. Bei seinen Erkundungen unter Wasser stößt er immer wieder auf kuriose Paarungsrituale – und will mehr darüber wissen.
Wie paaren sich eigentlich Fische? Und, noch interessanter, Mollusken oder generell die Lebewesen unter Wasser? Wie schauen ihre Geschlechtsorgane aus? Wie lange und wie oft treiben sie es? Und stellen sich die Männchen unter Wasser genauso so tollpatschig an wie ihre zweibeinigen Geschlechtsgenossen auf der Erde manchmal?
Alles Fragen, die sich Alberto Luca Recchi, Erkunder und Fotograf der Unterseewelt, einst nach einem außergewöhnlichen Fotoshooting zu stellen begann. Recchi ist ein stattlicher Mann, Mitte 60 Jahre, weißes Haar, weißer Bart, helle Augen – er sieht aus wie ein richtiger Seemann.
“Es war Anfang der 90er-Jahre”, erzählt er ntv.de. “Ich hatte den Auftrag, Fotos für ein Buch über das Mittelmeer zu machen.” Und so kam es, dass er eines Tages bei einer Taucherkundung vor Sardinien Zeuge eines kuriosen Reigens wurde. “Während ich herumschwamm und mich umsah, bemerkte ich nicht weit von mir eine gurkenförmige Molluske mit langen Ohren.” Sieh da, dachte er, ein Marmorierter Seehase. Tatsächlich handelte es sich um eine große Meeresschnecke, deren wissenschaftlicher Name Aplysia depilans lautet. “Was wie Ohren aussieht, sind Fühler, mit denen sich diese Molluske vorantastet”, sagt Recchi.
Eine Unterwasser-Orgie
Es blieb nicht bei diesem Exemplar. Kurz darauf kamen weitere fünf angeschwommen und verketteten sich ineinander. Recchi beobachtete fasziniert das Treiben, ohne zu verstehen, was da gerade vor sich ging. Zu Hause angekommen, begann er zu recherchieren und erfuhr: Die Marmorierten Seehasen sind Zwitter. Vorn haben sie das männliche Geschlechtsorgan und hinten das weibliche. “Wenn sich nur zwei treffen und paaren, dann kommt es zu Kamasutra-ähnlichen Verrenkungen”, weiß Recchi, “wen es mehrere sind, dann zu Verkettungen wie jener, der ich beigewohnt hatte. Eine regelrechte Orgie.”
Seit diesem Ereignis hielt der Fotograf zwar nicht gezielt nach solchen Unterwasserszenen Ausschau, aber dennoch den Blick dafür offen. Ausdauer und etwas Glück haben ihm so ermöglicht, nicht nur im Mittelmeer, sondern in Meeren weltweit auf solche Szenen zu stoßen. “Man kann sich gar nicht vorstellen, wie kreativ die Unterwassertiere sind”, meint Recchi.
Neben Fotoshootings, dem Schreiben von Büchern und dem Drehen von Dokumentarfilmen hat Recchi auch einen Podcast. In dem erzählt er auf packende Weise über seine Erlebnisse unter Wasser. Den Podcast findet man unter dem Titel “Un mare di storie”, also “Ein Meer an Geschichten”.
Seit ein paar Wochen gibt es die neue Serie, die sich dem Sexualleben der Meerestiere und aller Tiere widmet, die Recchi beim Paarungsakt beobachten konnte. Während der Titel jeder Folge auf ein bestimmtes Tier hinweist, lautet der Untertitel aller sechs Folgen “Was die Religion verbietet, wird unter Wasser getrieben”. Insgesamt sind es sechs Folgen, im Moment leider nur auf Italienisch. Eine Übersetzung ins Deutsche und in andere Sprachen ist bereits geplant.
Allgemein komme alles, was im Wasser lebt, unter dem Begriff Fisch vor, was wiederum Nahrung bedeutet, meint Recchi. “Man braucht in eine Suchmaschine nur das Wort Fisch einzugeben und schon sieht man Fische in der Bratpfanne, im Rohr, auf dem Grill. Mehr nicht. Das ist aber falsch. Vor allem, weil es ohne diese Unterwasserlebewesen uns Menschen nicht gäbe.”
Je größer die Hoden, desto freizügiger das Weibchen
Während die erste Folge dem Seehasen gilt, geht es in der zweiten um eine Gattung von Glattwalen, zu der die Nordkaper und Südkaper zählen. Diese Tiere können bis zu 18 Meter lang und zwischen 50 und 70 Tonnen schwer werden. Trotz dieser Masse sind sie unermüdliche Unterwasserbummler. “Ständig auf der Suche nach Fressen und Sex”, sagt Recchi. Für die Paarung können die Einzelgänger bis zu 10.000 Meilen zurücklegen.
Wenn sie dann endlich zueinandergefunden haben, kann sich das Weibchen im Gegensatz zum Männchen entspannen. Denn das muss sich im Wettkampf mit anderen Nebenbuhlern durchsetzen. “Das Weibchen gibt sich nämlich gerne jedem, der sie begehrt, hin”, bemerkt Recchi. “Und jetzt kommt der interessante Teil. Diese Wale haben die größten Hoden im ganzen Tierreich. Jeder Hoden kann bis zu einer halben Tonne wiegen. Das muss so sein, um so viel Sperma wie möglich zu hinterlassen und so die Menge des Nebenbuhlers zu übertreffen. Pro Orgasmus sind das bis zu fünf Liter. Die Wissenschaftler sprechen von einem Spermawettkampf.” Fremdgehen ist also nicht nur ein Charakterzug des Menschen. Wobei im Tierreich die Regel gilt: je größer die Hoden, desto frivoler das Weibchen.
Dugong-Männchen auf Tuchfühlung
Manche Tiere im Wasser besitzen offenbar Gemütsregungen, die auch dem Menschen nicht fremd sind. Darauf deutet zumindest die Geschichte von John, dem verwitweten Dugong, der sich unter Wasser mit Recchi trösten wollte. “Ich war damals auf den Vanuatu-Inseln, die östlich von Australien liegen. Man hatte mir dort erzählt, dass in einer kleinen Bucht ein Dugong-Männchen lebt, das vor Kurzem sein Weibchen verloren hatte. Eine Schiffsschraube hatte sie zerfleischt.” Recchi ging also auf Taucherkundung, in der Hoffnung, ein paar Fotos vom Dugong schießen zu können.
Und in der Tat bekam er ihn nicht nur zu Gesicht, sondern auch körperlich zu spüren. “Der Dugong umarmte mich buchstäblich und ich fühlte plötzlich zwischen mir und ihm etwas immer größer werden. Jetzt muss ich über die ganze Situation lachen, damals war mir aber gar nicht zum Lachen zumute, im Gegenteil. Ich hatte meine Mühe, mich vom Dugong zu befreien. Anscheinend wollte er sich mit mir über den Verlust seines Weibchens trösten.”
Quelle: ntv.de